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Da wir viele Horror-Stories über Busfahrten in Bolivien gehört hatten,
beschlossen wir, mit dem Flugzeug nach Santa Cruz zu reisen. Ich hatte zuvor viele
Stunden im Internet recherchiert, bis ich sicher war, dass wir nicht wieder in
so einem Laubflieger sitzen, der mich schon beim blossen Anblick zum Hyperventilieren
bringt. Aber schlussendlich haben wir den passenden Flug gefunden und sind
bequem innerhalb einer Stunde über die Cordillera Real ins Tiefland geflogen.
Santa
Cruz ist mit rund 1,5 Millionen Einwohnern die grösste Stadt Boliviens. Hier
wird vor allem auch viel Geld aus dem Kokaingeschäft gewaschen und die Stadt
wächst immer noch kreisförmig nach Aussen. Wir machten es uns am Hostel-Pool in
den Hängematten bequem, um uns an das feucht-heisse Klima zu gewöhnen. Am Abend
haben wir uns mit Luca, einem ehemaligen Junioren der Hurricanes Lenzburg, zum
Essen verabredet. Luca arbeitet seit einigen Monaten als Rohstoffhändler hier
und gehört mit seinem Schweizer Salär hier der Oberschicht an. Das letzte Mal, als
ich ihn gesehen habe, war er 14 Jahre alt und ich zählte bereits 25 Lenze. Damals
bestand er für mich nur aus einem übergrossen Trikot und einem Helm mit Gitter
und wir haben damals nie ein Wort gewechselt. Mit 16 hat er die Hurries
verlassen. Dank Facebook habe ich mitbekommen, dass es ihn nach Santa Cruz verschlagen hat,
und so haben sich unsere Wege nach langer Zeit wieder gekreuzt. Es war spannend
zu sehen, was aus dem kleinen Pfupf geworden ist.
Am nächsten Tag haben wir beim Frühstück Anna und Laurence aus England
kennen gelernt. Die beiden waren uns auf Anhieb sympathisch und sie wollten wie wir
nach Samaipata weiterreisen. Wir beschlossen, am nächsten Tag gemeinsam ein
Taxi zu nehmen und verlängerten noch einmal eine Nacht, obwohl uns die Stadt
nicht wirklich gefallen hat. Leider hat das Wetter über Nacht massiv umgeschlagen.
Der Wind aus den Anden brachte Regen, Wind und Kälte. So verbrachten wir den
Tag in der nigelnagelneuen Ventura Mall und gönnten uns einen leckeren Burger
im Hardrock Café.
Am nächsten Tag wurde dann nichts aus unserer gemütlichen Taxifahrt nach Samaipata. Wir warteten vergeblich auf unseren Fahrer und die
Taxigesellschaft nahm unsere Anrufe einfach nicht mehr entgegen. So mussten wir
notgedrungen zur Ecke fahren, wo die Sammeltaxis starten. Allerdings standen
wir uns dort die Füsse in den Bauch und es wollte und wollte kein Fahrzeug
kommen. Am Sonntag schien mal wieder keiner arbeiten zu wollen. Nachdem wir knapp zwei Stunden gewartet hatten, kam uns ein netter Bolivianer zu Hilfe und organisierte uns über Internet ein anderes Fahrzeug. Er begleitete uns sogar auf dem Fussmarsch durch eine
eher ungemütliche Gegend dahin, wo der Minibus losfuhr und wir kamen endlich raus aus Santa Cruz. Rapha und ich stiegen bereits auf halbem Weg nach Samaipata aus. Hier in Bermejo wollten wir einige Tage auf einer Öko-Farm
verbringen. Von der Strasse aus mussten wir mit all unserem Gepäck eine
holprige Seilbrücke überqueren und waren froh, dass diese unserem Gewicht
standhielt. Das Ginger’s Paradise wird von Chris und seiner Frau Sol geführt.
Chris war Gitarrist bei „System of a Down“ und „American Flag“, zwei meiner
absoluten Lieblingsbands. Irgendwann hatte er die Schnauze voll vom
Musikbusiness und ist mit dem Fahrrad von Hollywood Richtung Süden gefahren und
in Bolivien hängen geblieben. Hier hat er sich seinen Aussteiger-Traum
verwirklicht und lebt praktisch ausschliesslich von selbst angepflanztem
Grünzeug. Wollte man Musik hören, musste man zuerst auf ein zum
Stromgenerator umfunktioniertes Velo steigen und in die Pedalen treten. Bei
einem anderen Velo wurde auf dem Gepäckträger ein Mixer installiert, der
ebenfalls mit Muskelkraft betrieben wird. Auch die Waschmaschine funktioniert
nach diesem Prinzip. Alles hier ist einfach gehalten und die Dinge für den täglichen Gebrauch werden nach Möglichkeit selbst angebaut bzw. hergestellt. Wir schliefen im Massenschlag
und mussten uns an die Trockentoilette und die eiskalte Dusche gewöhnen. Ein absolutes Highlight war das tolle Essen, das Sol jeden Tag auf den Tisch zauberte. Wir blieben drei Tage dort, machten
Wanderungen und halfen auf dem Feld. Dabei habe ich in meinem Übermut beim
Roden einiges an Gemüse zerstört. Die Wurzeln sahen für mich halt alle gleich
aus. Chris’s Sohn Sisi hat mich nur völlig entgeistert gefragt, ob ich Probleme
mit den Augen hätte. Am Abend spielten wir mit den anderen Gästen Schach und "vier gewinnt". Der Verlierer musste jeweils eine Tafel Schokolade bezahlen.
Zwischendurch spielte Chris auf der Gitarre. Das waren wunderschöne Momente. In
bester „System of a Down“ Manier zerstörte er die schönsten Melodien im richtigen Moment brachial. Ach, wie habe ich das vermisst… Als er mich fragte, wieso ich
in der Schweiz alles hingeschmissen habe und durch Südamerika reise, antwortete
seine Frau „because he is a rebel“. Dabei ist mir in Gegenwart dieser Koryphäe vor
stolz fast der Kragen geplatzt. Wir waren richtig traurig, als wir das Paradies
verlassen mussten. Chris und Sol sind so herzlich und wir haben uns in ihrer Familie richtig wohl gefühlt.
Und weiter ging es nach Samaipata. Wir warteten in sengender
Hitze zweieinhalb Stunden am Strassenrand, ehe uns ein Bus mitnahm. Das war extrem schlechtes Timing... es war nämlich gerade Mittagszeit und damit Siesta... es fuhren kaum Fahrzeuge. Irgendwann kamen wir dann aber doch in Samaipata an. Wir
wohnten im Hotel Landhaus, wo Anna und Laurence bereits auf uns warteten. Das Hotel
hatte einen tollen Garten mit Pool und wir blieben fünf Tage hier. Wir
besuchten die wunderschönen Wasserfälle von Cuevas, die Inka-Festung „Fuerte de
Samaipata“ und ein Weingut. Sonst faulenzten wir. Für die Weiterfahrt nach
Sucre entschieden wir uns wiederum für das Flugzeug. Wir wollten uns die
14-stündige Holperfahrt im Bus nicht antun und entspannt am Ziel ankommen.
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omnipräsent |
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Chris erklärt die Welt |
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Stairway to Heaven |
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Ausserhalb von Bermejo |
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Ginger's Badi |
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Laguna Volcán, Bermejo |
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Unten eingebettet liegt das Ginger's Paradise |
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Unsere Unterkunft im Ginger's |
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wegweisend |
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Öffnen der Kokosnuss |
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Vorfreude auf das leckere Essen |
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Zuckerrohrsirup |
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Abschied vom Paradies |
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Badi |
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Cascadas de Cuevas |
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Impressionante |
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Natur pur |
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Samaipata |
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Golfplatz für Maass |
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Fuerte de Samaipata |
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